Mittwoch, 26. Februar 2014

Mutti sieht alles

“Wakey, wakey! Rise and shine, sweetheart!”
“Nooooo…” Geradezu beleidigt drehte sich Nicole zur Seite und zog sich die Decke über ihr Gesicht.
“But you have to get up now, honey. It’s your final day and you still haven’t packed your stuff.”
Richtig, heute war ja der letzte Tag bei ihrer Glasgower Gastfamilie. Ach, schade! Das war die perfekte Erholung gewesen nach dem ganzen Abi-Stress. Doch in wenigen Stunden schon würde sie sich wieder auf den Heimweg machen.
Aber mir ist so schleeeecht.
Nicole linste durch die halb geöffneten Augenlider. Alles wie gehabt: Sie fuhr immer noch Karussell, wenngleich sich das Zimmer jetzt nicht mehr ganz so schlimm drehte. Aber ihr Kopf war nach wie vor ein Schlachtfeld, innen wie außen.
Okay, es half nichts. Sie musste aufstehen. Routinemäßig griff sie als erstes nach ihrem Handy.
Oh, eine neue SMS. Von Mutti? Nanu…
“Komm Du mir nach Hause!”
Mehr stand da nicht.
Au weia, was hat das denn zu bedeuten?
Nicole konnte sich das nicht so recht erklären, aber sofort nagte das schlechte Gewissen an ihr: Letzte Nacht… Doch das konnte Mutti ja nicht wissen.
Dennoch fühlte sie sich sofort erröten; was vielleicht gar nicht mal so schlecht war, denn so kam wieder etwas Farbe in ihr blasses, von den nächtlichen Eskapaden gezeichnetes Gesicht.
Die Schuldgefühle kamen nicht von ungefähr, schließlich waren geistige Getränke daheim streng verboten. In den Augen ihrer Eltern war das der Anfang vom Ende: eine Einstiegsdroge, sinnlich wie moralisch enthemmend und wer weiß was für schlechte Eigenschaften entfesselnd.
Aber egal, das konnte es ja nicht sein. Nur, was dann? Sie hatte doch sonst nichts angestellt.
“Ooooh, my head!” Mit der Geschmeidigkeit einer alten Dame schlurfte Nicole zu ihrem Laptop…
Mal schauen, was es neues auf Facebook gibt.
… und fiel aus allen Wolken.
Mit einem Schlag war die Erinnerung wieder da: wie sie den beiden Schwestern von ihrem Alkoholverbot erzählt hatte; wie sie gemeinsam Späße über die Borniertheit ihrer Eltern gemacht hatten… und wie Laura schließlich dieses kompromittierende Foto geschossen hat: Patricia mit ihrer Sonnenbrille und sie in ihrem psychedelischen T-Shirt.
Ich hab’ mich nicht abgemeldet! Ich hab’ mich auf Facebook nicht abgemeldet und Laura – hat das verdammte Foto an meine Pinnwand gepostet! Unter meinem Namen. Oh, Gott!
Bereits achtzehn Freunde hatten auf den “Gefällt mir!”-Button geklickt. Ihre Mutter freilich nicht. Die hatte nur einen Kommentar hinterlassen: “Don’t like!”
Shit!
Ab unter die Dusche und schrubben, schrubben, schrubben!
Es geht nicht ab!
Eine Ausrede erfinden!
Was denn für eine Ausrede? Mein Gott, der Beweis klebt an meinem Hintern!
Bitte, ganz wie Du meinst! Dann bleibt nur dies: Die Sachen packen und den Heimweg antreten.
Erledigt.
Von Mutter mit einer saftigen Ohrfeige empfangen werden.
“Autsch!” Erledigt.
Sich tüchtig ausschimpfen lassen.
“Schnief.” Erledigt.
Ins Badezimmer gehen und sich splitternackt ausziehen.
Rasch noch aus dem Höschen geschlüpft und – erledigt! Aber Moment, wieso…?
In der Hand eine große Bürste, schloss Mutti hinter sich die Badezimmertür. “Jetzt zeige ich Dir mal, was eine Abreibung ist! Steig in die Wanne und bück Dich.”
Nicole tat, wie ihr geheißen. “Hi, Mom!”, grüßten ihre Pobacken freundlich. Entschlossen umfasste Mutti sie an der Hüfte und seifte ihr das vorlaute Hinterteil ein. Und dann begann sie zu schrubben, schrubben, schrubben. So lange und so fest, dass Nicole vor Schmerzen zu schreien anfing.
Als die letzten Spuren des infamen Schriftzugs entfernt waren, glühte ihr Po entsetzlich und schien regelrecht zu pulsieren. Aufgewühlt stieg Nicole aus der Wanne, um mit den Fingerspitzen ihre wunde Haut zu befühlen. Vorsichtig nur – doch selbst diese sanfte Berührung empfand sie als so unerhört schmerzhaft, dass ihre Hand sofort zurückzuckte.
“Tut weh, nicht wahr? Na, dann schau’n wir doch mal, wie Dir das hier gefällt.”
Mit ein und derselben Bewegung setzte sich Mutti auf den Rand der Badewanne und zog Nicole schwungvoll über ihre Knie. Wieder und wieder klatschte sie mit enormer Wucht auf die ohnehin schon wunden Backen, die so lebhaft hüpften und zuckten, und sich doch ihrer Pein nicht entziehen konnten.
Durch die eigentümliche Akustik des Badezimmers wurde das schallende Klatschen noch merklich verstärkt, so dass es das gesamte Haus mit Leben erfüllte – ebenso wie Nicoles verzweifeltes Flehen, doch bitte!!! endlich aufzuhören.
Schließlich aber war es vorbei. Sie erhoben sich, und Mutti führte Nicole vor den Spiegel. “Sieh ihn Dir an!” Wieder tat Nicole, wie ihr geheißen. Ungläubig betrachtete sie ihren armen Popo: Derart tiefrot hatte sie ihn noch nie gesehen. Das sowas überhaupt möglich war…
Rise and shine, sweetheart!
“Sollen wir davon auch ein Foto machen? Und auf Facebook posten? Sollen wir?”
Mutti wollte eine Antwort hören.
“Nein.”
“Nein. Das dachte ich mir. Aber über mich machst Du dort wohl gerne Scherze…”
“Es tut mir leid. Ehrlich, Mutti. Ich wollte das alles nicht.”
Liebevoll blickte ihre Mutter ihr in die Augen, berührte sie sanft mit der rechten Hand unterm Kinn. “Ich hab’ Dich sehr lieb, Nicole, das weißt Du. Und deshalb tut es mir auch in der Seele weh, wenn ich Dich solche Dummheiten machen sehe und Dich bestrafen muss.”
“Ich weiß, Mutti. Ich hab Dich auch lieb.”
Sie umarmten sich.
“Kein Alkohol mehr?”
“Keinen Tropfen. Ich schwöre es!”
“Dann halte Dich auch daran. Denn Du weißt ja jetzt: Mutti sieht alles!”
Da mussten sie beide lachen, drückten sich noch fester und küssten sich herzlich auf die Wangen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schmusen sie noch heute.



Quelle: Liebeskristalle.wordpress.com/2011/06/02

Keine Kommentare: